Gute Argumente gegen den Fleischkonsum

Wer vegan lebt und auf tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Milch, Eier und Honig verzichtet, wird am Tisch oft als Bedrohung wahrgenommen. Fleischesser fühlen sich moralisch angegriffen und versuchen, sich zu rechtfertigen. Der Philosoph Klaus Petrus kontert neun beliebte Rechtfertigungsversuche.

 

1. «Essen ist Privatsache. Keiner hat das Recht, mir vorzuschreiben, was auf meinen Teller darf und was nicht.»

Petrus: Natürlich sollten alle frei entscheiden dürfen, was und wie viel sie essen möchten. Doch hat bekanntlich jede Freiheit ihre Grenzen. Zum Beispiel darf ich hierzulande meine Meinung frei äussern. Allerdings nur, wenn ich damit niemanden diskriminiere oder auf andere Weise schädige. Und genau so müsste es doch auch mit unserer «kulinarischen Wahlfreiheit» sein: Falls wir damit Schaden anrichten – an den Tieren, der Umwelt oder der eigenen Gesundheit –, sollten wir unser Verhalten überdenken. Denn dann sind die Grenzen der persönlichen Wahlfreiheit erreicht und Essen ist nicht länger bloss «Privatsache».

 

2. «Der Mensch hat schon immer Tiere getötet und Fleisch gegessen. Das ist ganz normal.»

Petrus: Das meiste, was wir Menschen tun, hat Tradition. So war und ist das teils heute noch bei der Versklavung, Diskriminierung und Verfolgung von Menschen anderer Hautfarbe, anderen Geschlechts oder anderer politischer Einstellung. Dass wir etwas schon immer so getan haben, heisst noch lange nicht, dass es so auch richtig ist. Das gilt auch für unseren Umgang mit den «anderen» Tieren.

 

3. «Auch der Mensch ist ein Tier, und Tiere fressen nun einmal andere Tiere. Was ist daran falsch?»

Petrus: Ja, zum Beispiel frisst der Löwe die Gazelle. Nur ist der Löwe ein Fleischesser, er kann sich nicht anders ernähren. Wir dagegen sind Allesesser und haben damit grundsätzlich die Wahl. Genau das ist der entscheidende Punkt: Falls für uns Alternativen vorhanden sind, die kein oder weniger Tierleid verursachen, sollten wir sie wählen. Andernfalls fügen wir den Tieren buchstäblich «unnötiges» Leid zu, und das lässt sich nur schwerlich rechtfertigen.

 

4. «Menschen sind intelligent und moralfähig, sie machen Lebenspläne und haben ein Selbstbewusstsein. Gewissen Tieren fehlt das. Darum dürfen wir sie töten.»

Petrus: Nicht nur gewissen Tieren fehlen diese Eigenschaften, sondern auch manchen Menschen wie Säuglingen, Schwerstbehinderten oder Demenzkranken. Dürfen wir sie deswegen töten? Natürlich nicht! Der Wert des Lebens sollte sich nicht an derlei willkürlichen Merkmalen bemessen. Das Leben ist vielmehr für alle empfindungsfähigen Wesen ein Wert an sich, denn am Leben sein ist immerhin die Voraussetzung für alles andere, was ein Wesen erleben und fühlen kann. Töten wir es, nehmen wir ihm so gesehen alles, was es hat.

 

5. «Es gibt keine klare Grenze zwischen Schimpansen, Schweinen, Fischen, Insekten, Amöben und Pflanzen. Dürfen wir also auch keine Pflanzen töten?»

Petrus: In der Verhaltensforschung und Tierethik macht die Empfindungsfähigkeit den Unterschied. Und da ist es laut bisherigen Forschungen so, dass die meisten Tiere empfindungsfähig sind, nicht aber zum Beispiel Pflanzen. Aber selbst jene, die meinen, dass Pflanzen «leiden» und wir sie nicht «töten» dürfen, würden gut daran tun, kein Fleisch zu essen. Denn unsere «Nutztiere» können nur dann Fleisch ansetzen, wenn sie Unmengen an pflanzlicher Nahrung verzehren. Mehr Fleisch hiesse also nicht bloss mehr Tierleid, sondern auch noch mehr «Pflanzenleid».

 

6. «Wenn ein Baby und ein Kalb am Ertrinken sind und man nur eines der zwei Wesen retten kann, sollte man das Baby retten. Das zeigt, dass Menschen mehr wert sind als Tiere.»

Petrus: Und wie würden wir uns entscheiden zwischen einem Baby und einem alten, unheilbar erkrankten Mann? Oder unserem eigenen Baby und dem eines Fremden? Zeigt dies etwa, dass Neugeborene wertvoller sind als Alte oder Kranke und dass wir diese zum Beispiel einsperren, für Experimente gebrauchen und töten dürfen wie wir das mit den Tieren tun? Ich denke, all dies zeigt in erster Linie: Solche Gedankenexperimente sind keine sonderlich guten Ratgeber, wenn es um die Frage geht, wie wir mit anderen Lebewesen umgehen sollten.

 

7. «Würden wir keine Schweine, Hühner oder Rinder essen, gäbe es all diese Tiere nicht.»

Petrus: Stimmt. Davon abzuleiten, dass wir sie deswegen einsperren, mästen, töten und aufessen dürfen, wäre allerdings schräg. Dann könnte man nämlich mit den eigenen Kindern ebenfalls anstellen, was man gerade möchte, denn auch sie würden ohne ihre Eltern gar nicht existieren. Eher trifft doch das Gegenteil zu: Dass man jemandes Existenz (mit-)verursacht hat, bringt eine besondere Verantwortung mit sich, für das Wohl dieses Lebewesens zu sorgen.
8. «Auf Fleisch, Milch und Eier zu verzichten ist ungesund. Unser Körper braucht das.»

Petrus: Bei ausreichendem Angebot an pflanzlichen Lebensmitteln ist eine gut geplante und ausgewogene vegane Ernährung für alle Phasen eines menschlichen Lebens geeignet. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die «American Dietetic Association», die weltweit grösste unabhängige Ernährungskommission. Auch die Eidgenössische Ernährungskommission steht der pflanzlichen Ernährung inzwischen grundsätzlich positiv gegenüber.

 

9. «Ich esse nur ab und zu Fleisch. Und wenn, dann schaue ich, woher es kommt. So kann ich das mit meinem Gewissen gut vereinbaren.»

Petrus: Fleisch «kommt», Bio hin oder her, immer von empfindungsfähigen Tieren, die fast alle noch im Kindsalter geschlachtet werden; von Tieren, die darauf gezüchtet sind, Hochleistung zu erbringen; und von Tieren, die häufig künstlich besamt, von ihren Familienmitgliedern getrennt und in ihrem Bewegungsverhalten eingeschränkt werden. All dies sind massive Beeinträchtigungen des tierischen Wohlergehens. Gerade in Wohlstandsländern wie der Schweiz lautet die eigentliche Frage deshalb nicht so sehr: «Mehr Fleisch oder weniger?» oder «Besser Bio-Fleisch als Fleisch aus Massentierhaltung?», sondern: «Geht es auch ohne?».

Quelle:
http://www.srf.ch/kultur/im-fokus/das-tier-und-wir/tierisch-gute-argumente-gegen-den-fleischkonsum

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